Stadt Marburg

Foto der Preisträger der Stadt Marburg

Auszug aus der Wettbewerbsdokumentation

Kommune und Wettbewerbsbeitrag im Überblick

Einwohnerzahl 81.1471
Bundesland Hessen
Landkreis Marburg-Biedenkopf
Titel des Beitrags suPPOrdJu – Ein ungewöhnliches Team auf Erfolgskurs
Schwerpunkt des Beitrags Im Projekt "suPPOrdJu" kooperieren Polizei, Ordnungsamt und Jugendamt, um mit präventiven und repressiven Maßnahmen zu einer Verbesserung der Situation im Jugendschutz und beim Alkoholmissbrauch am "Marktdreieck" in der Marburger Innenstadt beizutragen.
Kontakt Regina Linda
Universitätsstadt Marburg
Fachbereich öffentliche Sicherheit und Ordnung
Frauenbergstraße 35
35039 Marburg
Tel.: +49 6421 201294
E-Mail: ordnung@marburg-stadt.de

Anlass und Ausgangssituation

Die Universitätsstadt Marburg ist geprägt durch junge Menschen: Mehr als ein Viertel der rund 81.000 Einwohner sind Studierende (ca. 23.000) und die insgesamt 37 Schulen in der Stadt werden von ca. 13.000 Schülern besucht. Mit Blick auf diesen Personenkreis beobachtete die Stadt über mehrere Jahre einen steigenden Alkoholkonsum im öffentlichen Raum. Vor allem das "Marktdreieck" – ein Areal in der Marburger Innenstadt – entwickelte sich nach seiner Umgestaltung im Jahr 2007 für Jugendliche zu einem beliebten Sommertreffpunkt, um zu feiern und zu trinken. Zwei nahe gelegene Einkaufszentren mit Supermärkten, die teilweise bis Mitternacht geöffnet haben, boten die Möglichkeit, sich auch in den späten Abendstunden noch mit Alkohol zu versorgen. In der Folge kam es zu Beschwerden über Pöbeleien, Belästigungen von Passanten, Müll, zerbrochene Flaschen, Urinieren, Ruhestörungen, Sachbeschädigungen. Einige der exzessiv Alkohol konsumierenden Jugendlichen mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Zudem registrierte die Polizei einen Anstieg von Straftaten (Diebstähle, Körperverletzungen) im Bereich rund um die neue "Party-Meile".

Konzeption und Ziele

Logo/Button "Hauptsache es dreht"Diese Situation führte zu öffentlichen Diskussionen, wurde in den örtlichen Medien und in der Lokalpolitik thematisiert und war schließlich Auslöser dafür, dass sich Polizei, Ordnungsamt und Jugendamt im Jahr 2008 im Kooperationsprojekt "suPPOrdJu: PolizeiPräsidium-Ordnungsamt-Jugendamt – ein ungewöhnliches Team auf Erfolgskurs" zusammenschlossen, um die vorhandenen Probleme gemeinsam in den Griff zu bekommen. Ziele von "suPPOrdJu" sind u.a.: gemeinsame Umsetzung des Jugendschutzgesetzes, Aufklärung über die Konsequenzen des Alkoholmissbrauchs, Vermittlung eines positiven Umgangs mit Alkohol, Information und Beratung von Jugendlichen, Eltern, Gastwirten und Geschäftsinhabern, Verringerung von Straftaten.

Vorgehen und Umsetzung

Der Name "suPPOrdJu" wurde in Anlehnung an das englische Wort "support" gewählt, weil die Aktivitäten von Polizei, Ordnungsamt und Jugendamt im Schwerpunkt darauf ausgerichtet sind, zu unterstützen. Schwerpunkt der Arbeit sind daher präventive Aktivitäten; hierzu zählen unter anderem:

  • gemeinsame Präsenz an "Brennpunkten", bei der je nach vorgefundener Situation Gespräche mit Jugendlichen geführt, sie auf Fehlverhalten aufmerksam gemacht und ggf. Konflikte gelöst werden,
  • aufsuchende Jugendarbeit, bei der zusammen mit den Jugendlichen nach Lösungsansätzen zur Vermeidung von Alkoholmissbrauch gesucht und Alternativen angeboten werden,
  • ggf. Kontaktaufnahme des Jugendamtes zu Eltern mit anschließender Beratung und Begleitung,
  • regelmäßiges Anbieten alternativer Aktivitäten für die Jugendlichen (u.a. alkoholfreie Marburger Abi-Parade, alkoholfreie Musik- und Sportveranstaltung "Hauptsache es dreht"),
  • gemeinsame Jugendschutzkontrollen in Geschäften, Gaststätten, auf öffentlichen Plätzen und bei Veranstaltungen,
  • in Kooperation mit dem Landkreis Marburg-Biedenkopf Entwicklung eines Veranstaltungskonzeptes (Beratung durch Polizei und Ordnungsamt, Einsatz von Ordnungskräften, Einlasskontrollen, Vergabe von "Ampelbändchen", Überwachung der Außenbereiche, Jugendschutzkontrollen, Werbeverbot für Flatrate-, All-inclusive- oder sonstige Rabattangebote für alkoholische Getränke) und Unterstützung von Veranstaltern und Gastwirten bei der Planung und Durchführung von Veranstaltungen.

Daneben werden auch repressive Maßnahmen des Straf-, Ordnungs- und Verwaltungsrechts angewandt, um den Alkoholmissbrauch zu reduzieren; hierzu zählen:

  • Festsetzung eines Bußgeldes bei Abgabe von Alkohol an Kinder und Jugendliche und ggf. Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Geschäftsinhaber,
  • bei Alkoholintoxikationen ggf. Einleitung eines Strafverfahrens wegen Körperverletzung,
  • Widerruf von Gaststättenerlaubnissen bei mehrfachem Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz,
  • Aussprache eines befristeten Aufenthaltsverbots bei Mehrfachtätern, die an "Brennpunkten" durch Straf- und Gewalttaten auffällig werden,
  • anlassbezogenes Aussprechen von befristeten Alkoholverboten im öffentlichen Raum (bislang einmalig in 2008 erfolgt).

Zudem wird die Marburger "Event-Szene" (u.a. unangemeldete Facebook-Partys, als privat deklarierte, aber öffentlich beworbene Veranstaltungen) kontinuierlich beobachtet, um bei Bedarf mit spontanen gemeinsamen Jugendschutzkontrollen sowie Veranstaltungsverboten reagieren zu können.  Fünf Jahre nach Start von "suPPOrdJu" konstatiert die Stadt Marburg deutliche Erfolge der bisherigen Arbeit: Alkohol wird weniger konsumiert, Alkoholmissbrauch wird öffentlich diskutiert, Jugendliche sind sensibler für das Thema Alkoholmissbrauch, Veranstalter und Gastwirte suchen die Beratung, das subjektive Sicherheitsgefühl der Marburger hat sich verbessert, Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte erklärten sich auf freiwilliger Basis bereit, keinen hochprozentigen Alkohol nach 20 Uhr zu verkaufen, ein Rückgang der Straftaten an den "Brennpunkten" ist festzustellen (z.B. im Bereich Marburg-Mitte von 2008 bis 2011 um über 50 Prozent).

Begründung der Prämierung

Das von der Stadt Marburg eingereichte Projekt "suPPOrdJu" zielt auf alkoholpräventive Maßnahmen auf Straßen und Plätzen sowie bei öffentlichen Veranstaltungen und Festen und trifft damit den Kern der Wettbewerbsausschreibung.

Mit "suPPOrdJu" reagiert die Stadt Marburg auf eine durch Beobachtungen und Statistiken belegte sowie in öffentlichen Diskussionen, in den örtlichen Medien und in der Lokalpolitik thematisierte präventive Bedarfslage im öffentlichen Raum.

Im Fokus des Beitrags stehen Jugendliche und junge Erwachsene, darüber hinaus werden aber auch Eltern (Informationen und Hilfsangebote) und vor allem Veranstalter und Gaststätten (Veranstaltungsberatung) und der Einzelhandel (freiwilliger Verzicht auf Alkoholverkauf) eingebunden.

Zu würdigen ist die gelungene Verknüpfung von Verhaltensprävention (Information/Aufklärung, aufsuchende Jugendarbeit) und Verhältnisprävention (Jugendschutzkontrollen, befristetes Alkoholverbot, Veranstaltungskonzept, alkoholfreie Veranstaltungsangebote) sowie das Ineinandergreifen von präventiven und repressiven Maßnahmen.

Beispielhaft ist die gute Kooperation von Polizei, Ordnungsamt und Jugendamt. Es ist gelungen, die jeweiligen Zuständigkeiten, das fachliche Wissen sowie die unterschiedlichen Kompetenzen und Arbeitsweisen zu bündeln und für das gemeinsame Ziel, den Alkoholmissbrauch von Jugendlichen in der Öffentlichkeit zu vermeiden, gezielt einzusetzen.

Das langfristig angelegte Projekt "suPPOrdJu" wird nicht isoliert, sondern eingebettet in weitere suchtpräventive Aktivitäten der Stadt umgesetzt: HaLT, P3 (Präventive Pädagogische Präsenz), BOB (Kampagne gegen Alkohol am Steuer).

Positiv hervorzuheben ist schließlich der hohe Transfergehalt des Beitrags: Rund 300 Kommunen haben sich bereits für das Konzept von "suPPOrdJu" interessiert – insbesondere für das befristete Alkoholverbot im öffentlichen Raum.

2 Fotos: Polizei und Ordnungspolizei und Deutscher Präventionstag München 2012

 

Zum Originalwettbewerbsbeitrag der Stadt Marburg.

 

1 Die Einwohnerzahlen der prämierten Kommunen wurden folgenden Quellen entnommen: Statistisches Bundesamt: Gemeindeverzeichnis online, https://www.destatis.de/gv/ (Abruf Februar 2013); Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Regionaldatenbank, https://www.regionalstatistik.de (Abruf Februar 2013).