Stadt Rastatt

Foto der Preisträger der Stadt Rastatt

Auszug aus der Wettbewerbsdokumentation

Kommune und Wettbewerbsbeitrag im Überblick

Einwohnerzahl 47.6501
Bundesland Baden-Württemberg
Landkreis Rastatt
Titel des Beitrags Lokale Alkoholpolitik
Schwerpunkt des Beitrags Das Konzept stellt die Entwicklung geeigneter Umsetzungsschritte für eine nachhaltige Einstellungsänderung im Umgang mit Alkohol und die Frühintervention bei Jugendlichen und Erwachsenen mit auffälligem Alkoholkonsum in den Vordergrund.
Einzelprojekte
  1. Blaue Briefe
  2. Verankerung Alkoholprävention und Jugendschutz in den Vereinsförderungsrichtlinien
  3. Testkäufe
Kontakt Arne Pfirrmann
Stadt Rastatt
Bürgermeister und Leiter Dezernat III
Kaiserstraße 48 a
76437 Rastatt
Tel.: +49 7222 972-7000
E-Mail: arne.pfirrmann@rastatt.de

Anlass und Ausgangssituation

Kommunen stehen dem Phänomen jugendlichen Rauschtrinkens oft hilflos gegenüber. Zwar sind bisweilen zahlreiche gute Ansätze vorhanden, die jedoch nur dann optimale Wirkung entfalten können, wenn sie in eine übergeordnete Frühinterventionsstrategie eingebunden sind und die Maßnahmen übergreifend gesteuert und koordiniert werden. Jede Kommune sollte dabei das eigene Potenzial für Lösungen fördern und nutzen. Im Rahmen des Modellvorhabens "Lokale Alkoholpolitik" wurden vom Baden-Württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation gGmbH (BWLV) Kommunen daher konkrete Unterstützung und Beratung angeboten.

Rastatt wurde eine der Modellkommunen, mit denen das Programm "Lokale Alkoholpolitik" erarbeitet und getestet wurde. Im November 2008 erfolgte der Beschluss des Gemeinderats, dass die Verwaltung gemeinsam mit dem BWLV das Konzept erarbeiten sollte.

In einer umfassenden Situations- und Bedarfsanalyse wurde die aktuelle Situation in Rastatt beschrieben. Dabei standen die wahrgenommenen Probleme, die bestehenden präventiven und gesundheitsfördernden Aktivitäten und Angebote sowie die Bedürfnisse der Bewohner im Zentrum. Die Analyse basierte auf der Auswertung von Polizeistatistiken, der Beschreibung und Auswertung von Jugendtreffpunkten im Stadtgebiet sowie auf einer telefonischen Befragung und weiteren individuellen Gesprächen mit Jugendlichen, Multiplikatoren, Vertretern von Polizei, Vereinen, Kirche, Einzelhandel, Stadtverwaltung, Sozialarbeitern und der Schule. Abgeleitet wurden Handlungsempfehlungen, die von dem parallel eingerichteten Runden Tisch in einen 2010 vorgelegten und seitdem jährlich fortgeschriebenen Zeit- und Maßnahmenplan überführt wurden. Jährlich werden ca. 20 ordnungspolitische und pädagogische Maßnahmen umgesetzt.

Konzeption und Ziele

Ziel des seit 2009 laufenden Projekts "Lokale Alkoholpolitik" ist die Entwicklung geeigneter Umsetzungsschritte für eine nachhaltige Einstellungsänderung im Umgang mit Alkohol. Hierzu werden Einzelangebote in einer übergeordneten Frühinterventionsstrategie vernetzt, d.h. lokale Alkoholpolitik vernetzt Fachkräfte und Entscheider einer Kommune themenbezogen und stimmt Verhaltens- und Verhältnisprävention vor Ort aufeinander ab. Mit dem Konzept wird in Rastatt eine große Zahl von Zielgruppen angesprochen: Kinder/Jugendliche, Mitglieder des Gemeinderates/Mitarbeiter der Kommunalverwaltung, Polizei, Lehrer/Schulsozial-arbeiter, Eltern, Vereinsvorsitzende, Verkaufspersonal, Veranstalter u.a.m.

Vorgehen und Umsetzung

Neben den eingereichten Einzelprojekten (siehe unten) umfasst lokale Alkoholpolitik in Rastatt Maßnahmen wie die Schulung von Jugendschutzteams und deren Einsatz bei Festen und Veranstaltungen, verbesserte Zusammenarbeit mit Krankenhäusern, regelmäßige Polizeistreifen an ausgewählten Treffpunkten, Schaffung neuer Treffpunkte für Jugendliche und Maßnahmen zur Reduzierung des Alkoholkonsums, "HaLT"-Risiko-Check für riskant konsumierende Jugendliche, ein "Vaterprojekt" mit Migranten einer Wohnanlage zur Sauberkeit im öffentlichen Raum, Präventionsangebote ab Klasse 6, FreD-Kurse (FreD = Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten) für erstauffällige Jugendliche, Elternbrief an alle Eltern der 6. und 7. Klassenstufe und die Evaluation der Maßnahmen.

Einen Schwerpunkt im öffentlichen Raum setzt das Projekt "Blaue Briefe", das der Runde Tisch bereits in seiner konstituierenden Sitzung 2009 als Möglichkeit diskutierte, um in einem abgestuften Verfahren Eltern über die Auffälligkeit ihrer minderjährigen, alkoholisierten Kinder und Jugendliche auf öffentlichen Plätzen zu informieren. Die Versendung der bisher 58 "Blauen Briefe" erfolgte seitdem über die Stadtverwaltung, unterschrieben wird der Brief vom Bürgermeister der Stadt.

Ein besonderer Fokus wird in einem weiteren Projekt auf die Verankerung von Alkoholprävention und Jugendschutz in den Vereinsförderrichtlinien gelegt. Der Runde Tisch sprach sich 2010 für eine Änderung dieser Richtlinien aus. Zunächst wurde ein Zertifizierungsverfahren für jugendfreundliche Vereine eingerichtet. Wenn dieses positiv verlaufen ist, kann der jeweilige Verein bei der Förderung durch die Stadt einen Bonus zusätzlich zur Regelförderung erhalten. Umgekehrt kann die Regelförderung bei jedem Verein gestrichen werden, der gegen Jugendschutz verstößt. Die Vereinsförderrichtlinien traten rückwirkend zum 1.1.2011 in Kraft. Zertifiziert sind derzeit zehn Vereine, drei weitere Vereine befinden sich im Zertifizierungsverfahren.

Gastronomie und Einzelhandel wurden durch die Maßnahme "Testkäufe" adressiert. 2010 erstellte der Fachbereich Sicherheit und Ordnung ein Konzept, in dem die Kriterien für die Auswahl der Testkäufer und deren Einsatz sowie die Folgen bei Feststellung der Verletzung des Jugendschutzgesetzes festgelegt wurden. Die Umsetzung erfolgt seit Mai 2011.

Die Fotos zeigen die Situation einer Ausweiskontrolle an einer Supermarktkasse

Begleitet wird das Konzept von einem Runden Tisch unter Leitung des Bürgermeisters. Alle Maßnahmen werden dokumentiert und evaluiert. In 2012 konnten die ersten Maßnahmen abgeschlossen werden, wie die Schaffung von einfachen Jugendtreffpunkten, der Umgang mit Wohnsitzlosen im öffentlichen Raum, die Ortsbegehung der Treffpunkte. Es erfolgt eine jährliche Berichterstattung in Finanzausschuss und Gemeinderat.

Begründung der Prämierung

Hervorzuheben ist, dass das Konzept "Lokale Alkoholpolitik" eine besonders strategische Ausrichtung auf die kommunale Vernetzung und das übergreifende Management von präventiven Einzelmaßnahmen zu einer übergeordneten Frühinterventionsstrategie beinhaltet. Das Konzept geht somit weit über kurzfristige Interventionen hinaus und führt zu einem nachhaltigen Verstetigungsansatz, der in Rastatt auch nach dem Ende des Modellvorhabens weiter verfolgt wird.

Das Dach der lokalen Alkoholpolitik und die Beteiligung unterschiedlicher Akteure und Institutionen gewährleisten eine ganzheitliche Ausrichtung des Konzepts, da lokale Alkoholpolitik als eine kommunale Gemeinschaftsaufgabe von Eltern, Erziehern, Lehrern, Polizei, Handel und der Stadt Rastatt verstanden wird.

Der im Konzept "Lokale Alkoholpolitik" entwickelte Managementansatz, der neben konkreten Zielformulierungen einen jährlich aktualisierten ausführlichen Zeit- und Maßnahmenplan umfasst, stellt sich als professioneller Ansatz der Steuerung und Organisation dar. Hierin spiegelt sich wider, dass das Thema Alkoholprävention ernst genommen und zu einem kommunalen Handlungsfeld wird.

Eine weitere Besonderheit stellt die umfassende Bestandsaufnahme dar, in deren Rahmen nicht nur Statistiken zusammengeführt und ausgewertet, sondern mit Hilfe von Interviews Probleme erfasst wurden und gleichzeitig für das Projekt sensibilisiert werden konnte.

Positiv festzuhalten ist zudem die Verknüpfung des Projekts mit anderen Präventionsprojekten wie HaLT.

 

Zum Originalwettbewerbsbeitrag der Stadt Rastatt.

 

1 Die Einwohnerzahlen der prämierten Kommunen wurden folgenden Quellen entnommen: Statistisches Bundesamt: Gemeindeverzeichnis online, https://www.destatis.de/gv/ (Abruf Februar 2013); Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Regionaldatenbank, https://www.regionalstatistik.de (Abruf Februar 2013).